Der TAZARA Zug irgendwo in Tansania
Nennen wir es mal fahren, auch wenn die Standzeit des Zuges die Fahrzeiten zumindest gefühlt übertroffen hat. Aber fangen wir doch vorne an.
Frühjahr 2017, nun stand es fest, die FOSS4G 2018 wird in Dar Es Salaam, Tansania stattfinden. Das bedeutete, dass ausreichend Zeit blieb, um zu überlegen, wie man eine Reise drumherum gestalten kann. Nach einer Internetrecherche stieß ich auf die TAZARA-Zugverbindung zwischen Sambia und Tansania, die das Herzstück meiner Reise werden sollte. Daraus entwickelte sich recht schnell die Idee, von Ozean (Atlantik) zu Ozean (Indik) zu reisen. Oder von Namibia bis Tansania, West nach Ost oder vom ehemaligen deutsch-Südwest zum ehemaligen deutsch-Ostafrika und damit quer durch das südliche Afrika.
Im Frühjahr 2018 war dann alles soweit vorbereitet, meine Reise sollte mit 2 Wochen Familienurlaub in Namibia starten und dann mit einem Transfer über Victoria Falls, Lusaka nach New Kapiri Mposhi in den sambischen Kupfergürtel, von wo der TAZARA-Zug startet, weitergehen.
Waggon lackiert, Logo händisch aufgemalt: TAZARA
Einfach Online ist nicht und daher habe ich im Frühsommer 2018 mein TAZARA Ticket telefonisch direkt an der Zugstation in Kapiri Mposhi reserviert – und war gleichzeitig gespannt, ob das wohl klappen wird. TAZARA steht übrigens für TAnsanian-SAmbian RAilway Authority, die eine Zugverbindung bedient, die zu Apartheidszeiten von chinesischen Ingenieuren vom Kupfergürtel Sambias zum Hafen von Dar Es Salaam gebaut wurde. Auf der Strecke verkehrt 2x wöchentlich ein Personenzug in jede Richtung. 1865 Kilometer in prognostizierten 52 Stunden quer durch die sambisch-tansanische Savanne standen mir also bevor. Als ich dann Wochen später in der sambischen Hauptstadt Lusaka mein Ticket persönlich abholte und schlappe 360 sambische Kwecha (27 Euro) bezahlte, war mir schon klar, dass mich trotz 1. Klasse nicht allzu viel Komfort erwarten würde.
Der Hauptbahnhof von Lusaka
Freitag morgens ging es also los, die ca. 150 Kilometer lange Strecke von Lusaka nach Kapiri Mposhi bewältigte ich mit dem Bus, denn wenngleich es Züge der sambischen Railway Company gibt, die von Lusaka nach Kapiri verkehren, so sind die natürlich nicht so aufeinander abgestimmt, dass man mit dem Zug von Lusaka aus fahren könnte.
Die Züge von Lusaka verkehren jeweils Mittwoch und Samstag (diese Information erhielt ich auch nicht im TAZARA Headquarter in Lusaka, sondern erst am Hauptbahnhof in Lusaka), während der TAZARA Train von Kapiri nach Dar jeweils Dienstags und Freitags startet.
Sinn? Keiner. Allerdings braucht der Zug angeblich wohl auch 12 Stunden, der Bus ist also sowieso schneller. Spannend ist allerdings, sich als Weißer auf dem Busbahnhof in Lusaka zu begeben und zu glauben, man könne nun einfach ungestört ein Ticket kaufen – aber das ist eine andere Geschichte.
Wartehalle in Kapiri Mposhi
Spannend ist die Ankunft am TAZARA-Endbahnhof, eine riesige, leicht heruntergekommene Wartehalle gut mit Menschen, Koffern, Taschen, Säcken und was weiß-ich-nicht-noch-alles gefüllt, in der sich außer mir genau ein weiterer Europäer befand, erwartet mich. Während draußen auf den Gleisen der Zug zusammen gestellt wird, konzentriere ich mich auf den vor mir liegenden Reiseabschnitt, die Taschen mit überflüssigem Proviant befüllt, alle Akkus geladen und in freudiger Erwartung auf die kommenden zwei-Komma-X Tage.
Da glaubte ich noch an vielleicht 4-5 Stunden Verspätung, aber dazu – viel – später mehr. Und wehe es mosert irgendeiner nochmal über die Pünktlichkeit der Deutsche Bahn!
Der am Fenster trocknende Feudel
Beim Boarding wird das Ticket das erste mal gezeigt, ein Vorgang, der sich in den ersten 12h der Fahrt noch etwa 8x wiederholen sollte, danach dafür aber nicht mehr. Ich ergattere eine der unteren Pritschen in unserem 4-er 1-Klasse Abteil, verstaue meinen Koffer darunter und setze mich erst einmal ans Fenster, das zu Öffnen schon den Kontakt mit jahrzehnte-alten Ich-weiß-nicht-was-Belag erforderte – nichts für Sauberkeitsfanatiker. Auch der Feudel (*rheinisch: Putzlappen), der nach dem oftmaligen Reinigen des Flurs zum Trocknen aus dem Fenster gehangen wurde, hat für europäische Maßstäbe seinen Zenit bereits zu Kaisers Zeiten überschritten.
Mit einem lauten Pfiff, einem Rack, beides begleitet mit einem durch den alten Stahl krachenden Ruck fährt der Zug an und sogleich stellt sich das, nun für viele Stunden immer gleiche uns begleitende radak-radak, hervorgerufen durch die vor Jahrzehnten verlegten und seitdem kaum unterhaltenen Gleisen, ein. Aber es funktioniert, der Zug rollt und jedes radak bringt mich Dar Es Salaam ein Stückchen näher.
Mein Zug. Außen neu gestrichen, innen nicht.
Dass die Reise mehr werden würde, als reines aus dem Fenster schauen, fing ich dort erst an zu erahnen. Meine Mitreisenden im Abteil, ein in London lebender Sambier mit in Kampala, Uganda, beheimateten 8-jährigem Sohn sowie Wise, auch ein Sambier, auf dem Weg nach Nakonde, der letzten sambischen Stadt vor Tansania, sollten dabei eine große Rolle spielen.
Frische Luft statt frische Dusche
Nach diversen radaks und einigen ersten Sätzen mit Rama, dem sambischen Londoner, mache ich mich auf Entdeckungsreise durch den Zug. Diese endet bereits 3 Wagen weiter, denn zwischen der 2. und 3. Klasse befindet sich die Bar, Typ Dorfkrug. Kein Bier vor Vier ist in rollenden afrikanischen Zügen eine offensichtlich zu vernachlässigende Regel, man muss sich nur umschauen. Das findet auch der mit in unserem Abteil reisende Wise und so holen wir bis irgendwann gegen 22h fröhlich erst abwechselnd, später ich für beide, frische Biere, nur um uns diese, den vorangegangenen gleich, direkt in den Kopf zu gießen. Das Ganze frei nach dem Motto, das bisschen, was wir essen müssen, können wir auch trinken.
Was für ein Sonnenuntergang!
Die nächtlichen radaks habe ich dann verschlafen, wenngleich mich dann am Morgen ein heftiges Rack weckt. Dieses wird hervorgerufen durch eine blockierende Bremse an mindestens einem Waggon, die dem Zugführer vermutlich einiges an Können abverlangt. Soweit ich weiß, funktioniert ein ABS ähnlich, bremsen, loslassen, bremsen, loslassen und das ist genau das, was der Lokführer manuell in perfekter Art und Weise beherrscht, um den Zug an den zahlreichen Stationen zum Stehen zu bringen.
Keine Zeit für Kopfschmerzen, denn das Frühstück und ein hungriger Krischan, der 8-jährige Sohn von Rama, warten. Wer jetzt an Frühstück denkt, denkt mit Sicherheit nicht an ein traurig aussehendes lauwarmes Würstchen, ein Omelette, Spaghetti ohne Sauce und eine englisch-geteilte Scheibe ungetoastetes Toastbrot. Serviert mit Tee oder einer entfernt an sowas wie Kaffee erinnernden viel zu dünnen Instant-Brühe. Das Ganze erinnert mich ein wenig an das in Asterix als Legionär beschriebene Legionärs-Essen, bestehend aus Käse, Korn und Speck, das aus Rationalisierungsgründen zusammen gekocht wird.
Leider fehlt mir am Morgen der Zaubertrank um mir den Koch vorzunehmen. Immerhin, Krischan freut sich über mein Würstchen während Rama sich über den Kellner, der zum bereits gesüßten Tee noch die Zuckerdose stellt, wundert. Resultat: Viel zu süßer Tee. Belehrung genauso zwecklos wie der Versuch den Kellner davon zu überzeugen, meine Tasse nur halb mit Wasser zu füllen, um überhaupt irgendeinen Kaffee-Geschmack aus diesem Instant-Pulver ziehen zu können. Leider fehlt mir übrigens ein Photo der interessanten Komposition.
Irgendwo in Sambia
Sambischer Busch
Draußen zieht der wenig variable sambische Busch vorbei. Immer wieder sieht man Rauch am Horizont, der entweder von den zahlreichen Holzkohlemeilern oder von absichtlich gelegten Buschfeuern herrührt. Gelegentlich tauchen kleine Dörfer mit 5-7 Rundlehmhütten zwischen den Bäumen auf, eilig herbei gelaufene Kinder winken uns hinterher, Bauern auf Ihren Feldern halten inne und schauen dem Zug nach. Gerne wüsste ich was Sie gerade denken.
Betrieb am Zug
Wenn wir überhaupt so etwas wie Verkehr sehen, dann einige Sambier auf Fahrrädern, es sei denn, ein Halt in einem größeren Ort erlaubt einen Blick auf die T2, die Great Eastern Road, die von Kapiri an nach Osten Richtung Malawi und Tansania führt. Ansonsten fahren wir durch den tiefsten Busch, der Zug ist, zumindest für die kleinen Haltepunkte, offensichtlich die einzige Verbindung zum Rest der Welt. Das zeigt sich später in Tansania nochmal ganz deutlich. Für jetzt halte ich fest, dass vorne, zur 3. Klasse hin, die meisten Geschäfte gemacht werden, während hinten bei uns an der 1. und 2. Klasse auffällig viele Kinder betteln kommen. Da ein Halt in aller Regel mindestens 20 Minuten dauert, kommen die Händler mit Erdnüssen, Bananen Getränken oder kleineren Gerichten dann irgendwann auch nach hinten zu uns. Die Geschäfte laufen hier aber eher spärlich. Wird was gekauft, wird vorher grundsätzlich gehandelt – teilweise auch noch, obwohl der Zug sich schon wieder in Bewegung gesetzt hat.
Drinnen sitze ich das erste mal mit meinem 3-Fachstecker an einer der beiden mir bekannten Steckdosen um Handy, Laptop und Akku des Photoapparates zu laden. Krischans Tablet muss auch geladen werden, der kleine Kerl fängt an, sich zu langweilen. Mittlerweile hat sich das Leben im Zug irgendwie eingeruckelt, radaks, Racks und die ABS-like Bremsungen fallen mir nur noch dann auf, wenn ich darauf achte.
Gegen Abend erreichen wir Nakonde und unser biertrinkender Sambier (Sam-Bier?) Wise verlässt uns glücklich, er hat die Zugfahrt mal wieder geschafft und wird in seinem Heimatdorf erwartet. Unter uns Weiterreisenden kursieren erste Gerüchte über eine derzeitige Verspätung von 4, von 8 oder sogar von bis zu 12 Stunden. Keiner weiß nichts genaues. Während ich überlege, was das bedeutet, kommen die sambischen Grenzbeamten durch den Zug, kontrollieren und stempeln Pässe, es dauert. Dies war jetzt die Ausreise aus Sambia. Irgendwann endlich fährt der Zug mit einem Ruck an, aber nicht für lange denn Tunduma, die 1. tansanische Stadt grenzt direkt an Nakonde und wir stehen nun dort am Bahnhof. Es dämmert bereits, ich steige aus und betrete das erste Mal tansanischen Boden, das nun 4. Land meiner afrikanischen Reise.
Zuckerrohr – am Zug als Meterware verkauft wird es roh gekaut.
Zurück im Abteil gehen Geldwechsler durch den Zug und wechseln sambische Kwecha in tansanische Schilling. Dies zu einem, sagen wir mal kreativen Kurs. Zum Glück schleppe ich schon 70.000 Schilling (etwa 28 Euro) seit Bonn quer durch Afrika, tausche aber trotzdem meine letzten 150 Kwecha. Dem Geldwechsler folgt der Mann, der tansanische SIM-Karten verkauft. Glücklicherweise richtet der die auch ein, denn nach Namibia, Zimbabwe und Sambia wechselt nun die offizielle Landessprache von Englisch auf Suaheli. In dieser Sprache kommen dann auch die zahlreichen Anweisungen per SMS, die einem mitteilen, wie man die neue SIM-Karte einrichtet. Ich habe nun 1GB Datentransfer frei, eine tansanische Telefonnummer, die ich mir nicht merke und – Internetverbindung!
Irgendwo in Tansania
Entgegen aller Ansagen an zu Hause kann ich mich nun aus dem Zug heraus als lebendig und gesund melden. Gut, dass Geruch noch nicht übertragen werden kann, Rama bestellt Fisch zum Abendessen und ich habe seit fast 2 Tagen nicht mehr duschen können, Dusche kaputt, ist doch logisch.
Jetzt kommen die tansanischen Grenzer, gefolgt von einem Arzt, der nach den Pässen auch die Impfpässe auf Gelbfieberimpfung kontrolliert. Und ich bin erleichtert, dass ich mir neben einem tansanischen Visum auch die Gelbfieberimpfung schon in Bonn gegeben habe. Der Holländer, der andere Europäer, der in Kapiri eingestiegen ist, bekommt seine Impfung für 50 Dollar direkt im Zug verabreicht.
Ein Zug kommt – wir auch!
So, ich wäre jetzt soweit, denke ich, aber der Zug bleibt stehen – stundenlang. Irgendwann erfahre ich, dass wir auf den Gegenzug warten, der zeitgleich mit unserem in Dar Es Salaam losgefahren ist. Eine Begegnung auf freier Strecke wäre wenig empfehlenswert, denn die Strecke ist einspurig und hier in Tunduma haben sich beide Züge zum Rendez-Vous verabredet. Dumm ist, wie bei jedem Rendez-Vous, wenn einer zu spät kommt. Interessant finde ich, dass der Gegenzug der sogenannte Expresszug ist, aber gut, that’s Africa! Warum aufregen? Nützt ja nichts.
Ich ziehe mir 2-3 Bier im Dorfkrug, die ich jetzt mit tansanischen Schilling bezahlen muss und deren Preis dadurch auf wundersame Weise von etwa einem Euro in Sambia auf ca. 80 Cent gesunken ist. Dasselbe Bier wohlgemerkt, danach gehe ich schlafen. Irgendwann im Halbschlaf macht es Rack und der Zug fährt endlich wieder an.
Man könnte jetzt sagen, was für eine schöne Geschichte, aber als ich gegen 6 aufwache stehen wir wieder, diesmal in Mpemba, der nächsten tansanischen Stadt. Den Grund bekomme ich zunächst nicht heraus. Dieses herumstehen nervt dann schon irgendwann und ich erwische mich, wie ich das Klugfon bemühe und schaue, ob denn Mpemba einen Flughafen hat und wann Flüge nach Dar Es Salaam gehen. Während ich mich dabei ertappe, verwerfe ich meinen Plan wieder. Diese Zugfahrt war Auslöser und Grund der ganzen Tour, jetzt wird hier nicht der Schw… eingezogen.
Unsere tapfere Lok – fährt auch auf 7 Pötten (man beachte den verschwommenen linken Bildteil – Dieselruß.
Mittlerweile habe ich erfahren, dass unsere Lok kaputt ist. Später, als ich im Abteil David, dem sambischen Ingenieur, der die Lok wieder repariert hat, treffe, erfahre ich, dass die Dieselloks 8 E-Generatoren antreiben, die wiederum die Lok antreiben. Und unsere ist mit lediglich 7 funktionierenden Generatoren losgefahren und als sich der nächste verabschiedete, traute den verbleibenden 6 keiner die Reise durch das tansanische Hochland zu. Also musste David ran, ohne Ersatzteile und mit schlechter Ausrüstung gelang diesem Helden unserer heutigen Zeit die Reparatur. Leider wurde eine Ankunft am Sonntag Abend in Dar Es Salaam nun komplett unmöglich und mir winkte eine weitere Nacht auf meiner Pritsche und meinen Mitreisenden eine weitere mit mir, nach wie vor ungeduscht. Besser ich denke nicht an mein in Dar Es Salaam auf mich wartendes 4-Sterne Hotelzimmer.
Aber wir sind in Afrika, von daher sollte man das Positive in den Vordergrund rücken. Meine größten Befürchtungen meine Sicherheit betreffend hatte ich immer, wenn ich an meine Ankunft in Dar Es Salaam dachte, da der Bahnhof weit draußen liegt und gerade europäische Reisende der TAZARA angeblich schon desöfteren Abends in falsche Taxis gelockt und ausgeraubt wurden. Das Problem würde ich wohl Montag Mittags nicht haben. Und ob der von mir vom Hotel angeforderte Fahrer wirklich die halbe Nacht am Bahnhof verbringen würde, glaube ich, obwohl in Afrika, wirklich nicht.
Afrika, so wie man es sich vorstellt.
Die Landschaft draußen ist überwältigend, Berge, Busch, in kleinen Örtchen Ziegelbrennöfen, Bananenplantagen und bald schon tauchen auch die ersten Kokospalmen auf. Regelmäßig, immer dann, wenn der Zug hält, habe ich auch Internet-Verbindung zur Außenwelt, die kurz nachdem der jeweilige Ort wieder in Busch übergeht, endet. Dass die Geschwindigkeit die eines durchschnittlichen deutschen mobilen Internetempfangs um ein Vielfaches übersteigt mag verwundern, ist aber wahr. Interessanterweise fahren Tansaner da Motorrad wo Sambier noch mit dem Fahrrad unterwegs waren. Und dann kam ja noch die Geschichte mit den Tomaten und dem Reis.
Njana njana – Tomaten!
Wie bereits erwähnt, der Zug ist Transportmittel, Lebensader und offensichtlich auch Handelsroute. Der nächste Halt, Njana, Njana tönt es von draußen. Ich schaue aus dem Fenster, um den Zug wandeln mindestens 30 Frauen, alle mit je einer Tüte voll mit Tomaten in jeder Hand und einer auf dem Kopf. Überhaupt, diese Technik Dinge auf dem Kopf zu transportieren, die ist hier erfunden worden, es kann nicht anders sein. Wer soll die ganzen Tomaten kaufen?, frage ich mich, konzentriere mich aber aufs photographieren der Händlerinnen und anderen Menschen.
Der Zug fährt weiter, ich drehe mich um und sehe … Tomaten. Säckeweise Tomaten. Auf Tischen, Bänken, im Flur – überall Tomaten. Ich frage Rama, wer zur Hölle die ganzen Tomaten essen will. Er grinst und sagt wait. Was bleibt mir anderes übrig?
Das Lehmziegelmotorrad
Wir rattern weiter, radak, radak ruft es, die grüne Landschaft und Leute brausen vorbei, leider sieht man keine wilden Tiere, aber immer wieder Örtchen, wir queren kleine Bäche oder Flüsse, ein Wasser-Problem haben die hier jedenfalls nicht. Ich sitze im Restaurant an einem nicht mit Tomaten zugestellten Tisch und arbeite an meinen Vorträgen für die Konferenz in Dar. Es ist komisch nach fast drei Wochen Afrika wieder so etwas profanes zu tun, wie Vorträge vorzubereiten
Der nächste Halt, diesmal wird Reis verkauft. Säckeweise Reis. Und natürlich wird der auch mit Köpfchen an den Zug herangebracht. Der Handel erfolgt diesmal als Tausch: Tomaten gegen Reis, alleine den Kurs kenne ich nicht. Als es weiter geht, stehen und liegen dort, wo eben noch tütenweise Tomaten lagerten nun Reissäcke. Was macht man in einem rollenden Zug mit dem Reis?
Ich frage Rama, der mir erklärt, dass die Leute die Tomaten dort kaufen, wo sie billig sind, diese dann gegen Reis eintauschen, ebenfalls dort, wo dieser billig ist und den Reis mit nach Dar Es Salaam nehmen, um ihn dort zu verkaufen, denn da ist der 3 mal teurer. So einfach also. Lächelnd zeigt Rama unter seine Pritsche, wo ein Reissack lagert…
Das Schienenkontroll-Fahrzeug
David, der TAZARA Techniker, erklärt mir, wie die Schienen in Stand gehalten werden. Es gibt an jeder Station 2 Zuständige, die dann mit einem abenteuerlichen Dragine-ähnlichem Schienengefährt die eine Wochenhälfte die Hälfte der Strecke zur einen und in der anderen Wochenhälfte die Hälfte der Strecke zur anderen Station abfahren und dabei die Gleise kontrollieren und Schäden entweder selbst reparieren oder melden. Die neuen chinesischen Loks wurden direkt wieder ausrangiert, zu viel Elektronik die die Strecke nicht überlebt und die eben nicht repariert werden kann, daher wird das alte Material immer wieder zurecht geflickt. Und der ganze Aufwand ist heute eigentlich kaum mehr notwendig, denn nach Ende der Apartheid sind die südafrikanischen Häfen eigentlich näher und auch wesentlich einfacher zu erreichen. Trotzdem fahren die TAZARA Strecke immer noch 7 Kupferzüge pro Woche mit einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Puh, wir dürfen immerhin 50km/h Spitze fahren.
Nach der 3. Nacht durchfahren wir am Montag (zur Erinnerung, der Zug startete Freitag) ein Game-Reserve. Endlich gibt es Wildtiere. Mehrere Elefanten, Zebras, drei Giraffen, ein paar Affen und zahllose Impalas entlang der Strecke werden zum ewig gleichen Frühstück geboten. Leider geht alles sehr schnell, so dass es sinnlos ist, Photos zu machen. Einmal meine ich unter einem Baum eine Löwenfamilie gesehen zu haben, aber vielleicht war das auch nur ein Wunschtraum. Phantasiere ich schon?
radak, radak.
radak, radak.
Die Outskirts von Dar Es Salaam
Und schließlich doch: Wir nähern uns Dar Es Salaam. Der Zug fährt endlos durch die nicht enden wollenden Outskirts und man hat das Gefühl, der ist so schnell, wie bisher noch nie. Und plötzlich: Vollbremsung, diesmal ohne ABS. Offensichtlich war der Zug zu schnell, ich fürchte einen Personenschaden. Der würde in Deutschland locker 8-10h Verspätung verursachen und sehe schon meine Chancen auf meine Nacht im 4 Sterne-Bett samt Dusche schwinden. Aber, wir sind in Afrika, keine Ahnung, was wirklich passiert ist, nach ewig langen 20 Minuten macht es Rack gefolgt vom eintönigen radak, radak, es geht weiter! 4-Sterne Bett, Dusche, Abendessen, Bad, Pool, Ozean, weiches Handtuch, Zivilisation – ich komme!
Angekommen! Kopfbahnhof in Dar Es Salaam
Schließlich erreichen wir den Kopfbahnhof von Dar Es Salaam, 70 Stunden nach unserer Abfahrt und damit mit schlappen 18 Stunden Verspätung. Der nächste, der im ICE wegen 20 Minuten Verspätung motzt, kriegt’s mit mir zu tun!
Beim Ausgang des Bahnhofs gibt es eine letzte Fahrkartenkontrolle, deren Sinn sich mir nicht erschließt, muss aber auch nicht alles. Es ist schwül, man fühlt geradezu den nahen Ozean. Ich nehme ein Taxi. Ein Polizist notiert Taxinummer, meinen Namen und mein Ziel, so soll sicher gestellt werden, dass ich auch dort ankomme.
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